Umdenken in der Sicherheitspolitik
03. Nov 2021
„Sicherheitspolitische Herausforderungen Deutschlands in einer globalen Welt. “
Wenn es um die
sicherheitspolitischen Herausforderungen Deutschlands in einer globalen Welt
geht so glaube ich, dass diese Herausforderungen so groß sind, dass es sich lohnt,
dass nicht nur die Regierung, sondern auch die Zivilgesellschaft darüber nachdenken.
Es muss aber darum gehen, mit der künftigen deutschen Außen-, Sicherheits-, und
Verteidigungspolitik die Logik der Gewalt und Abschreckung zu durchbrechen.
Wie kann das gehen?
Meine Argumentation dafür, dass dieser Weg, die Logik der Gewalt zu durchbrechen, ein gangbarer Weg ist, wird Ihnen wahrscheinlich naiv und nicht wissenschaftlich belegbar erscheinen.
Ich glaube, dass wir neu denken müssen, dass wir uns freimachen müssen von Bedrohungsszenarien, Gewalt und Kriegen. Ich glaube, dass wir nicht zurückblicken müssen um herauszufinden, dass die bisherigen Wege immer und immer wieder ins Verderben geführt haben.
Wir brauchen keine Aufrüstung und Hochtechnologisierung unserer Waffensysteme. Wir brauchen keine bewaffneten Drohnen, keine technische Dominanz über den (welchen eigentlich?) Gegner. Wir müssen ein Friedenssignal aussenden. Die Bereitschaft für dialogisches Handeln auf Augenhöhe. Wir brauchen keine Rüstungsindustrie die Waffen produziert und exportiert, die das Leid in den Kriegen dieser Welt verschärfen und Menschen vernichten und in die Flucht treiben.
Wir brauchen Menschen, z.B. ausgebildete Friedensfachkräfte, die versuchen Konflikte – schon im Vorfeld – zu entschärfen und für eine friedliche Verständigung der Konfliktparteien eintreten.
Wir brauchen keine Atomwaffen die in einem nicht auszudenkenden Ernstfall mit unseren Flugzeugen und durch unsere Soldat*innen an fremdbestimmte Ziele geflogen und dort abgeworfen werden und die ganze Menschheit mit Vernichtung bedrohen. Eine Bedrohung, der Ärzt*innen und Hilfskräfte nichts entgegensetzen können und die deshalb aus humanitären Gründen unhaltbar ist. Deutschland muss vielmehr endlich dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten.
Wir brauchen kein 2%-Ziel für unseren Militärhaushalt. Wir müssen die Milliardenbeträge, die uns die militärische Rüstung jährlich kostet, zugunsten eines sozialen, friedensfördernden und klimagerechten Umbaus unserer Gesellschaft nutzen. Deutschland soll auch künftig solidarisch, aber ebenso kritisch auf dem Boden der Bündnispolitik stehen.
Die deutsche Rolle in der Nato könnte aber dringend ein eigenständiges Profil gebrauchen. Deutschland könnte eine Vorreiterrolle in der Nato spielen indem Deutschland dafür eintritt, die völkerrechtliche Ächtung automatisierter Waffen voranzubringen. Deutschland könnte auch die Nato dazu ermutigen als Verteidigungsbündnis auf zivile Prävention und Friedensfachkräfte und somit auf Dialog und Gewaltfreiheit zu setzen.
Wir müssen aufhören in Gut- und Böse-Kategorien zu denken. Wir müssen Sicherheit aus einem anderen Blickwinkel heraus neu sehen. Weg von Bedrohungsszenarien hin zu einem dialogischen Denken und zum Aufbau gegenseitigen Vertrauens.
Aus meiner friedensbewegten Sicht geht es darum, mehr Abrüstung zu wagen und Gewaltfreiheit zur obersten Prämisse zu machen. Wer behauptet, dass ohne Abschreckungs- und Verteidigungspolitik ein friedliches Zusammenleben der Völker nicht möglich sei, redet einer Alternativlosigkeit das Wort die Chancen verbaut.
Es gehört Mut dazu,
Sicherheit neu, anders zu denken, neue Wege zu gehen. Aber gerade jetzt bieten
sich Möglichkeiten. Nie waren sich Haiti und das Ahrtal näher. Nie wir das
Bewusstsein für ein Umsteuern in Sachen Umweltschutz und Klimawandel stärker.
Die Covid-19-Pandemie hat die gegenseitige Verbundenheit überdeutlich gemacht.
Die Bedrohungen, denen die Menschheit zurzeit ausgesetzt sind, brauchen
schweres Gerät und so etwas wie das Technische Hilfswerk, damit Menschen
schnell helfen können – aber keine Waffen. Es ist ein geeigneter Zeitpunkt, neu
über Konversion nachzudenken und aus dem Ingenieurswissen der Rüstungsindustrie
Lösungsansätze für die Bekämpfung von Naturkatastrophen zu entwickeln. Dafür
braucht es den politischen Willen und die notwendigen Rahmenbedingungen.
Veränderungen sind
möglich. Der Einsatz von Friedensfachkräften hat bereits gezeigt, dass andere
Wege durch ein dialogisches Handeln und Denken möglich sind. Wir müssen viel
mehr Geld in die Hand nehmen und die Zahl der ausgebildeten Friedensfachkräfte
massiv erhöhen.
Papst Franziskus sagt in
seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2017 „Die Logik der Gewalt durchbrechen“: „Die
Gewaltfreiheit wird manchmal im Sinne von Kapitulation, Disengagement und
Passivität verstanden, aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Als Mutter Theresa
1979 den Friedensnobelpreis empfing, erklärte sie ihre Botschaft einer aktiven
Gewaltfreiheit ganz deutlich: ‚In unserer Familie haben wir keine Bomben und
Waffen nötig und brauchen nicht zu zerstören, um Frieden zu bringen, sondern
wir müssen nur Zusammensein und einander lieben… und so werden wir alles Böse,
das es in der Welt gibt, überwinden können‘ – denn die Macht der Waffen ist
trügerisch.“
Für uns hier in
Deutschland und Europa stehen wichtige Zukunftsfragen an: Wie kommen wir zu
einem gesamteuropäischen Friedenskonzept, das z.B. die Konflikte mit Russland
bearbeiten kann? Wie lässt sich sinnvolle China-Politik gestalten? Was braucht
Europa, um eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik zu entwickeln, die das
Sterben an den EU-Außengrenzen und die unwürdigen Hotspots stoppt?
Papst Franziskus gibt
mit seiner Aufforderung, Gewaltfreiheit als Stil der Friedenspolitik zu
fördern, die eigentliche Antwort auf diese Fragen.
Vielleicht heißt dann
das Ministerium für Verteidigung in ein paar Jahren schon Ministerium für
Dialog und Krisenprävention. Wir alle, und natürlich auch die neue
Bundesregierung, sollten die Chance nicht verpassen solche Zukunftsfragen
politisch anzugehen und Sicherheit völlig neu – vielleicht auch naiv – dialogisch
mit einer Politik auf Augenhöhe und gewaltfrei zu denken.
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pax christi Deutsche Sektion